Mehr Recht(e) auf Analog – Digitalisierung und Altersdiskriminierung
Die digitalen Mühlen in Deutschland mahlen zwar eher langsam, aber sie mahlen. Und so greift die allseits beschworene Digitalisierung auf immer mehr Bereiche von Gesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Alltagsleben über – mit allen Vorteilen und Risiken. Natürlich ist Digitalisierung vor allem ein Mittel, das unser Leben erleichtern soll. Alles soll schneller, einfacher, effizienter, flexibler und obendrein transparenter gehen, so das Heilsversprechen – Die Kehrseite dessen aber ist: Wer nicht über den Zugang zu digitalen Geräten wie Smartphones, Computer und Tablets und Services wie (auch mobilem) Internet verfügt, der wird in seiner gesellschaftlichen Teilhabe erheblich eingeschränkt, vielleicht sogar isoliert. Eine Risikogruppe, die ganz klar von dieser Digitalisierungsmanie betroffen sein dürfte, sind unsere älteren Mitbürger*innen.
Die Digitalisierungswelle durchzieht nämlich alle Bereiche: Der günstige Angebotspreis für ein bestimmtes Lebensmittel beim lokalen Supermarkt ist häufig etwa nur Kunden und Kundinnen mit entsprechender App vorbehalten; Terminvergaben bei der ärztlichen Praxis oder bei Behörden können immer öfter nur noch online über Apps wie DoctoLib oder verwaltungseigene Systeme vollzogen werden; den günstigen Supersparpreis für den Fernverkehr der Deutschen Bahn gibt es auch nur über die hauseigene DB-Applikation oder Website. Kurzum: Wer nicht auf den digitalen Zug mit aufspringt oder vielmehr aufzuspringen in der Lage ist, der wird überholt. Sei es nun durch die bloße Nichtverfügbarkeit eines digitalen Gerätes oder schlicht wenig ausgeprägte Internet-Erfahrung: Es lässt sich nicht leugnen, dass der Digitalzwang auch ausgrenzende Aspekte in sich birgt und konkret ältere, kranke und auch finanziell schwächere Personengruppen ausschließt.
Das Thema lässt sich auch nicht einfach wegdenken, weil der demografische Wandel in Deutschland eine recht klare Sprache spricht: Jede zweite Person in Deutschland ist heute älter als 45 und jede fünfte Person älter als 66 Jahre alt. Der Bielefelder Verein Digitalcourage e.V. setzt sich daher für ein „Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang“ ein und hat jüngst eine Petition gestartet, in der eine zentrale Kernforderung ist, dass ein solches Recht ins Grundgesetz aufgenommen wird. Konkret bedeutet das, dass es zu digitalen Angeboten, insbesondere im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeiten öffentlicher Infrastruktur, auch immer eine nicht-digitale Alternative geben muss.
Wir als Solinger Ratsfraktion DIE LINKE. Die PARTEI befürworten ein solches Recht auf eine bewusst gewählte oder zwangsläufige analoge Lebensführung. Politische und gesellschaftliche Teilhabe und die Inanspruchnahme von Diensten der Grundversorgung darf nicht davon abhängig gemacht werden, welche Geräte zur Verfügung stehen. Es bedarf der Freiheit zwischen analogen und digitalen Angeboten wählen zu können, denn nur diese Freiheit ist wirklich inklusiv.