DIE LINKE. Die PARTEI findet: Eine Umbenennung historisch belasteter Straßennamen und die einhergehenden Debatten sind im Rahmen konsequenter Aufarbeitungsprozesse unabdingbar.
Im Solinger Tageblatt erschien in der Ausgabe vom 1. August 2024 ein Artikel, der die Frage stellte, ob die Änderung historisch belasteter Straßennamen in Solingen nicht „längst überfällig“ sei. Konkret wurde diese Frage von Olaf Link gestellt, Solinger Autor und Heimatforscher, der mit ihr eine erneute Debatte um zwei Straßennamen im Solinger Stadtteil Merscheid anregte: Gemeint sind der Lüderitzweg und die Wissmannstraße, die von den Nationalsozialisten im Jahr 1935 nach den kolonialen Persönlichkeiten Adolf Lüderitz und Hermann von Wissmann benannt worden sind.
Adolf Lüderitz war erster deutscher Landbesitzer in heutigen Namibia, im Grunde aber vor allem ein Betrüger, der den Grundstein für die Kolonie Deutsch-Südwestafrika und die späteren Verbrechen an den Herero legte. Hermann von Wissmann wiederum wurde später zum Reichskommissar der bevölkerungsreichsten Kolonie Deutsch-Ostafrika ernannt und war mitunter an der gewaltsamen Zerschlagung und massenhaften Exekutionen während der Wahehe Aufstände in den Jahren 1891 bis 1899 beteiligt. Während der zweiten Freistaat Kongo Expedition im Auftrag des belgischen Monarchen Leopold II. unterwarf er das Gebiet mit kriegerischen Mitteln, ein grausamer Prozess, der zahlreiche Opfer fordern sollte.
Kolonialistische Straßennamen ehren Inhumanität, Gewalt und Verachtung von Menschenleben
Beide Personen erlebten im Nationalsozialismus einen Heldenkult, der zeigt, wofür sie gestanden haben: Inhumanität, Gewalt und Verachtung von Menschenleben. Der Aufarbeitungsprozess deutscher Kolonialgeschichte ist noch jung. Erst 2021 gab es etwa eine offizielle Anerkennung des Völkermordes an den Herero vonseiten der Bundesregierung. Seit einigen Jahren finden im Zuge dieser Aufarbeitung zunehmend Straßenumbenennungen statt, wenn diese mit historisch belasteten Namen belegt sind.
Vor 14 Jahren gab es nach etlichen langwierigen Diskussionen auch in Solingen eine solche Umbenennung: Aus Solingens Hindenburgplatz wurde seinerzeit der Walder Marktplatz. Thematisiert wurde der umstrittene Lüderitzweg bereits 2012 in der lokalen Presse. Warum hat sich seitdem nichts getan? Der Historiker Rainer Pöppinghege hatte mal auf einer thematisch passenden Tagung ausgeführt, dass Straßenschilder ganz klar Ehrungen darstellen und nicht Mahnmale, sie hätten vor allem eine Repräsentativfunktion inne; gerade in Zeiten von zunehmendem Rechtsruck ist die unreflektierte Weiternutzung von Straßennamen mit kolonialistischem oder nationalsozialistischen Hintergrund äußerst problematisch. Das dürfte auch ein Grund sein, warum die Ehrungen von historisch belasteten Akteuren der Kolonial- und auch NS-Zeit zunehmend aus den Straßenbildern der Kommunen verschwinden. In Münster etwa wurde zuletzt Ende Mai angekündigt, dass der Lüderitzweg und der Woermannweg umbenannt werden sollen. Gleiches fordert die DIE LINKE. Die PARTEI auch in Solingen: Wir dürfen nicht so geschichtsvergessen sein, dass Verbrechern der Kolonialzeit, derer gerade auch im Nationalsozialismus gedacht wurde, eine Ehrung in dieser Form zu teil werde. Das Argument, dass man damit auch einen dunklen Teil der Geschichte ausklammere und sich nicht der Realität stellen wolle, lassen wir hier nur bedingt gelten. Die Löschung dieser Namen befördert nämlich durchaus die lebhafte und notwendige Diskussion um die Neubewertung historischer Ereignisse. Es gäbe hier außerdem Anlass, um vor allem auch weibliche Widerstandskämpferinnen wie zum Beispiel Anna Mugunda ins Zentrum unseres Geschichtsbewusstseins zu rücken, die in Namibia gegen die Apartheid kämpfte.
Ulrike Zerhau, Ratsherrin der Fraktion DIE LINKE. Die PARTEI stellt fest: „Überhaupt ist eine kritische Betrachtung des Solinger Straßenverzeichnisses angebracht. In unserer Stadt gab es offensichtlich immer wieder große Faszination für sogenannte Kriegshelden, auf Frieden setzende Namen haben dagegen Seltenheitswert. Insbesondere die Namen Lüderitz und Wissmann sind angesichts der endlich beginnenden Aufarbeitung deutscher Verantwortung gegenüber ehemaligen Kolonien eine Zumutung. Und noch etwas: Die Namensgeber für Straßen waren bis auf wenige Ausnahmen immer Männer. Nicht einmal ein Zehntel der Straßennamen erinnert an Frauen, die in Kultur, Wissenschaft und gesellschaftlichen Engagement herausragend waren“